12.06.2025

«It’s all about the way you make them feel» - wie man Events ohne Ego inszeniert

In einer Branche, die oft von Lautstärke und schnellen Effekten lebt, setzen sie auf Haltung, Substanz und Nähe: Schoscho Rufener und Maximiliane Edelmann von MCH Global gestalten Erlebnisse, die nicht nur wirken, sondern Sehnsucht entfachen.

Er gilt als einer der prägendsten Köpfe der Schweizer Eventbranche – und weit darüber hinaus: Schoscho Rufener, Kreativdirektor, Unternehmer, Coach und Visionär. Seit mehr als drei Jahrzehnten gestaltet er die Welt der Live-Kommunikation mit unverwechselbarer Handschrift, 2020 wurde er sogar mit dem «Lifetime Achievement XAVER-Award» ausgezeichnet. Wo andere Events organisieren, schafft er Erlebnisse, die Menschen bewegen und Marken zum Leben erwecken. Ob für globale Konzerne, kulturelle Institutionen oder hochkarätige Brands – Schoscho versteht es wie kaum ein anderer, Geschichten im Raum zu erzählen.

Im Gespräch mit ihm und MCH Global-Teamkollegin Maximiliane Edelmann geht es um Rückblicke auf Meilensteine, Vertrauen als Währung, Raum als Bühne und die Sicht auf die Zukunft – und um eine Wagenburg mit 800 Wohnmobilen.

 

Schoscho, dein Name ist in der Eventbranche längst eine Marke für sich. Woher kommt dein Spitzname und – Hand aufs Herz – wer ist eigentlich Schoscho Rufener, wenn gerade kein Event im Kalender steht?

Schoscho: Der Name Schoscho begleitet mich schon seit ich 18 bin. Ursprünglich heisse ich Hans-Jürgen. In Frankreich wurde daraus irgendwann "Jean-Jacques" und meine Freunde haben daraus "Schoscho" gemacht. Es hat sich einfach gut angefühlt und funktioniert international. Also ist es geblieben.

Und wenn gerade kein Event im Kalender steht? (lacht) Dann bin ich trotzdem nie ganz „aus“ – Menschen im Raum, das fasziniert mich einfach. Selbst ein Zelt an der Autobahn inspiriert mich. Ich kann gar nicht anders. Ich denke immer: Was macht das mit Menschen?

 

Du hast früh angefangen, Partys zu organisieren und sogar Hotels in den USA geführt. Was fasziniert dich bis heute persönlich am meisten an der LiveCom-Branche?

Schoscho: Es ist die Mischung aus Temporärem und Dauerhaftem, aus präziser Planung und Improvisation. Im Hotel wie im Event: Du hast vier Stunden, um zu liefern. Du musst Stimmung schaffen, Emotion ermöglichen, Atmosphäre orchestrieren. Und das alles im Team, niemals allein. Es ist auch ein Null-Fehler-Geschäft. Wenn der Truck am Morgen nicht über die Grenze rollt, hast du ein Problem. Das fasziniert mich bis heute.

 

Du hast mit der Agentur „Rufener Events“ weltweit Events geschaffen, Luxusmarken inszeniert und Weltstars empfangen. Vielen sind u.a. der FIFA-Weltkongress oder das 150-jährige UBS-Jubiläum ein Begriff. Welche Geschichte steckt jedoch hinter deinem persönlich wichtigsten Event?

Schoscho: Für mich war die Zusammenarbeit mit dem Dalai Lama besonders bewegend. Neun Jahre lang haben wir ihn begleitet – das war kein klassisches Event, sondern eine Reise voller Tiefe, Respekt und Vertrauen. Es war eine Erfahrung, die mich als Mensch geprägt hat. Es ging nie um Show – sondern darum, Räume für etwas Grösseres zu öffnen. Wir wurden ausgewählt, weil das Vertrauen bereits da war. Es war für mich wie ein Geschenk. Und es hat mir gezeigt, was wirklich zählt: Magie erzeugen, Persönlichkeit zeigen, wenn der Moment da ist. Denn es gibt auch diese stillen Momente im Eventbereich, die unplanbaren – wie Grace Jones, die plötzlich im Hotelzimmer beim Bundesrat auf dem Schoss sass. Du musst bereit sein, wenn’s passiert. Das fasziniert mich.

 

1999 hast du die Agentur gegründet, einige Jahre später hast du sie an die MCH Global verkauft – für viele wäre das ein Schlusspunkt gewesen. Was hat dich angetrieben, danach weiter ganz neue Wege zu gehen? Und verrate uns: Was macht Schoscho eigentlich heute?

Schoscho: Ich habe mich nie über Abschlüsse definiert. Es ging nie ums „Abgeben“, sondern ums Weiterentwickeln. MCH Global war und ist für mich die Möglichkeit, auf einem anderen Level international zu denken. Heute bin ich dort Member of the Board, agiere als Creative Director, Investor oder Coach – aber vor allem immer als Gastgeber und Vernetzer. Ich liebe das Zusammenspiel aus Content, Raum und Menschen.

 

In der Branche sind du und auch die MCH Global für eine emotionale Handschrift bekannt. Was fasziniert euch an der Live Communication?

Schoscho: Für mich ist jeder Raum eine Bühne. Egal ob Hotel, Retail-Store oder Backyard – ich denke immer: Was macht das mit Menschen? Wie kann ich Atmosphäre schaffen? Wie kann ich Emotionen anstossen, ohne laut zu sein? Unsere Aufgabe ist es, Erlebnisse zu gestalten, die bleiben. Und zwar massgeschneidert. Ich bin immer auf Empfang – selbst auf der Autobahn frage ich mich bei einer Zeltstadt: Was passiert da? Dann fahre ich raus und sehe es mir an.

Maximiliane: Emotionalisierung funktioniert nur, wenn du nah dran bist am Menschen. Wir glauben an Co-Creation – sowohl im Team als auch mit dem Kunden. Der Kunde kennt seine Brand am besten. Wir bringen das dramaturgische Gespür. Am Ende soll er sagen: Wow, das bin ich – aber besser.

 

Ihr sprecht oft von "Vertrauen". Was bedeutet das für euch im Agenturalltag?

Maximiliane: Vertrauen ist die Grundlage. Ohne das geht gar nichts. Und Vertrauen entsteht durch Haltung. Durch Zuhören. Durch die richtigen Fragen. Und durch das Extra: ein kleines Detail mehr, das nicht erwartet wurde. Es geht nicht um das schnelle Projekt, sondern um langfristige Beziehungen. Wir denken nicht in One-Offs – sondern langfristig und gemeinsam mit dem Kunden.

Schoscho: Genau. Viele sind im Pitch brillant, aber liefern dann nicht. Wir leben das Handwerk. Und wenn etwas schiefläuft, stehen wir dazu. Natürlich gibt es Pitches, die wir nicht gewonnen haben. Aber wir haben gelernt, ehrlich hinzusehen: Was lief nicht? Wie können wir es besser machen? Wir lernen daraus. Diese Haltung unterscheidet uns. Und sie verbindet uns mit Kunden über Jahre, manchmal Jahrzehnte. Events sind nie nur schöne Bilder. Es geht um Struktur, Substanz und dieses berühmte Fingerspitzengefühl. Wichtig ist: Nicht ins Blame-Game verfallen. Sondern als Team lernen und wachsen.

 

Ihr seid international unterwegs – Qatar, Buenos Aires, Paris. Wie führt man Teams über Grenzen hinweg?

Schoscho: Du musst lernen, loszulassen. Vertrauen zu schenken. Und du musst selber tun, was du predigst. Ich versuche, Führung über Haltung zu leben. Und ich reise immer noch viel – weil die Face-to-Face-Beziehung durch nichts zu ersetzen ist. Denn Beziehung entsteht nicht in Calls – sondern im echten Austausch. Remote funktioniert ergänzend, aber nicht als Basis.

Maximiliane: Digitale Tools helfen, keine Frage. Aber Beziehung entsteht im direkten Austausch. Emotion, Vertrauen, Resonanz – das funktioniert nur analog. Das ist eine der grössten Learnings der letzten Jahre. Wir haben durch Corona gelernt: Menschen brauchen Menschen. Auch im Business.

 

Wie hat sich die Eventbranche in den letzten 20 Jahren aus eurer Sicht verändert?

Maximiliane: Die Branche ist schneller geworden, hybrider, digitaler und die Welt komplexer – aber der Mensch bleibt analog. Es braucht echte Begegnungen. Emotion. Echtheit. Resonanz. Und wir glauben, das wird noch wichtiger. Die Sehnsucht nach Resonanz ist riesig. Wir merken das bei jedem Projekt.

 

Was macht heute gute Events und echte Live-Kommunikation aus?

Schoscho: Ein Event ist wie ein Erfahrungsraum. Für wenige Stunden entsteht etwas Echtes, vielleicht sogar Magisches. Und wir dürfen das gestalten. Das ist für mich ein Privileg. Es geht nicht um Perfektion – sondern um Präsenz. Du musst mit dem Raum arbeiten können. Ihn orchestrieren, aber nicht dominieren. Es geht nicht um Wow-Effekte – sondern um Wirkung. Um Haltung. Um das, was bleibt. Eine echte Experience fängt nicht mit dem Showlicht an, sondern mit dem Zuhören. Was braucht der Kunde? Was braucht sein Publikum? Und dann geht’s los. Wenn Menschen sich gesehen fühlen, ist das der wahre Erfolg. It’s all about the way you make them feel – das ist gelebte, authentische Hospitality.

Maximiliane: Ich glaube, es geht auch immer darum, Bestehendes neu zu kombinieren. Altbekanntes anders zu denken. Und sich nie auf Erfolgen auszuruhen. Wir sind nie fertig – und das ist gut so. Es geht um Weiterentwicklung. Um neue Sphären. Um Learnings. Um die Kombination aus Qualität, Haltung und Neugier.

 

Digitale Formate, Hybrid-Events, Metaverse – wohin entwickelt sich die Branche aus eurer Sicht? Wird das physische Event je ersetzbar sein?

Maximiliane: Digitale Tools ergänzen, aber sie ersetzen nichts. Beziehung entsteht im Raum, nicht im Call. Das physische Event wird sogar noch wichtiger – weil es emotionaler, realer und relevanter wird. Es ist der Gegenpol zur Reizüberflutung. Und ganz allgemein gesprochen: Staying humble. Nie stehen bleiben. Sich immer wieder fragen: Was kann man neu kombinieren, wie gelingt ein neuer Twist? Kann man in anderen Spären denken oder noch aus Vergangenem lernen? Ich bin überzeugt, das macht uns bei MCH Global aus, wir bleiben nicht stehen - und darauf freue ich mich auch in Zukunft.

 

Mit der neuen Festhalle in Bern hat der Schweizer Eventmarkt erst vor Kurzem eine Location mehr gewonnen - wie nehmt ihr den Schweizer Markt im internationalen Vergleich wahr?

Schoscho: Die Schweiz steht für Qualität, hohe Reputation, Vertrauen. Die disziplinierte Pünktlichkeit, sozusagen das «Excel-Sheet-genaue» Arbeiten, all das braucht es im Eventbereich und dafür steht die Schweiz. Ich persönlich denke, der Location-Markt ist gesättigt, es gibt sehr viele Optionen. Aber oft fehlt der Mut für grosse Würfe. Dabei gibt es so viel Potenzial und grossartige Orte. Manchmal muss man nur genauer hinsehen. Und es neu kombinieren. Oder es noch etwas «more spicy» machen – wie beim Würzen eines Gerichts. Wenn man nur liefert, was erwartet wird, ist der Kunde unglücklich. Es geht darum, etwas mehr zu geben. Und zu spüren, was der Kunde braucht.

Maximiliane: Wir waren zum Beispiel kürzlich im Schwarzencafé der Luma Foundation – es war magisch. Kunden, die Zürich seit Jahrzehnten kennen, waren begeistert. Das zeigt: Vieles ist da. Es muss nur kombiniert, inszeniert, vielleicht neu aktiviert werden.

 

Welche Rolle spielen die Faktoren Location und Catering für ein gelungenes 360° Erlebnis?

Schoscho: Eine Location ist eine Bühne. Sie muss zur Story passen. Und gutes Catering ist mehr als Essen – es ist Stimmung, Gastfreundschaft, Haltung. Wenn das Menü flüstert, was das Event erzählt – dann ist es rund.

 

Wer unzählige kreative Würfe macht, muss auch mal abschalten. Gibt es Rituale oder eine Methode, wie ihr die besten Ideen findet und auch mal abschalten könnt?

Maximiliane: Ganz klar: der Sport. Yoga, Crossfit, Laufen – das hilft, den Kopf frei zu kriegen. Aber auch Mini-Pausen, Atemübungen, Fokussierung. Wie im Business, mit «attention to detail». Manchmal sind es 30 Sekunden, die alles verändern. Und dann entsteht Neues.

Schoscho: Ich mache Yoga, habe sogar eine kleine Yoga-Männergruppe ins Leben gerufen, die sich einmal pro Woche trifft. Das bringt mich runter, sortiert mich. Wenn ich nicht im Reinen bin, kann ich auch niemanden inspirieren. In der Branche überlebst du nur, wenn du mit dir selbst okay bist.

 

Du hast dir im Laufe der Jahre einen Namen als „Serial Entrepreneur“ gemacht. Was bedeutet das – und wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Schoscho: Ich bin gerne in Bewegung. Ich habe Firmen gegründet, verkauft, neu aufgebaut. Ich investiere in Ideen, in Menschen, in Erlebnisse. Mein Alltag? Kein Tag ist wie der andere. Aber ich bin immer mit Neugier unterwegs.

 

Wenn du jungen Talenten und deinem „jüngeren Ich“ einen einzigen Rat für die Eventbranche geben dürftest, welcher wäre das?

Schoscho: Sei Dienstleister mit Haltung. Bleib neugierig. Und nimm dich selbst nicht zu wichtig. Grossartige Events entstehen nicht durch Egos – sondern durch Teamgeist. Weniger Show, mehr Substanz.

 

Schoscho, wenn du ein allerletztes grosses Event planen dürftest – ganz ohne Budgetgrenzen, ohne Vorgaben, ohne Limits – worum würde es gehen?

Schoscho (schmunzelt): Eine Wagenburg-Konferenz für die Wirtschaft. 800 Top-Wohnmobile, mitten in der Natur, auf einer Anhöhe. Eine Art Burning Man für Entscheidungsträger:innen – aber mit gutem Content. Ein echtes Erlebnis, das inspiriert.

Vielen Dank euch beiden – für die Inspiration, die Haltung und den Blick hinter die Kulissen!

Ringier Midsummer Party - realized by MCH Global Team
Icons of Porsche - realized by MCH Global Team
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